Arktischer Ozean

12 Prozent an Fläche verliert die sommerliche Meereisdecke der Arktis pro Jahrzehnt im Durchschnitt. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler befürchten, dass die Arktis bereits in ein paar Jahrzehnten während des Spätsommers komplett eisfrei sein könnte.

Meereisbohrung zur Bestimmung der Eisdicke
© Alfred-Wegener-Institut/Mario Hoppmann

Auch im Winter wird das Eis weniger: Seit dem Beginn der Satellitenmessungen 1978 wies die Eisfläche des Nordpolarmeers und seiner angrenzenden Wasserflächen im Februar 2018 mit etwa 14 Millionen Quadratkilometern den bisher niedrigsten Wert auf – um 2,75 Prozent schrumpft die Eisdecke pro Jahrzehnt im arktischen Winter. Gleichzeitig nimmt auch die Eisdicke ab, die von Forscherinnen und Forschern seit Jahrzehnten untersucht wird. Das wiederum kann zu Brüchen in der Decke führen, die den Klimawandel begünstigen. Denn: Eine dicke Eisdecke spiegelt die Sonnenstrahlen und schützt das Nordpolarmeer vor Erwärmung. Das offene Wasser zwischen den Schollen speichert viel mehr Wärme als das Eis. Die Wassertemperatur steigt – und beschleunigt wiederum das Abschmelzen.

Höhere Wassertemperatur

Der Arktische Ozean bedeckt eine Fläche von mehr als 14 Millionen Quadratkilometern und erreicht damit fast die Größe der Antarktis. Obwohl er der kleinste und zugleich flachste der fünf großen Ozeane der Welt ist, haben die hier stattfindenden Veränderungen doch großen Einfluss auf das weltweite Klima. Die Temperatur des Arktischen Ozeans ist seit den 1970er-Jahren in mittlerer Wassertiefe um 0,9 Grad Celsius pro Jahrzehnt gestiegen. Um mehr über den Klimawandel in der Arktis zu erfahren, verfolgen Forscherinnen und Forscher die Temperaturveränderungen im Nordpolarmeer seit Jahren. Und auch die Politik schenkt diesen Entwicklungen immer mehr Beachtung: Auf der Pariser Klimakonferenz (COP21) im Dezember 2015 verabschiedeten 195 Länder das erste universelle, rechtsverbindliche weltweite Klimaabkommen. Das Abkommen sieht vor, die globale Erwärmung auf deutlich unter 2 °C zu begrenzen. Gerade in der Arktis stellt dies eine besondere Herausforderung dar.

Weltweite Wetteränderungen

Durch die Regulierung der polaren Temperatur beeinflusst das Meereis aber auch das Wetter weltweit. Das liegt daran, dass die Ozeane und die Luft als Motoren fungieren, die die Wärme an die Pole befördern, um das globale Gleichgewicht zu halten. Ein Weg ist die großräumige Bewegung von Luft. Eine andere, langsamere Methode findet unter Wasser statt: Hier transportieren Meeresströmungen die Wärme entlang eines „globalen Förderbandes".

Dieses beeinflusst, angetrieben von lokalen Schwankungen der Wärme und des Salzgehalts, das Wetter auf See und an Land. Das Schwinden des Meereises hat wesentliche Auswirkungen auf diesen Prozess. So kalt wie der Arktische Ozean auch ist, ist er im Winter immer noch wärmer als die Luft. Das Meereis dient somit als Isolierung. Wenn es schmilzt und bricht, entstehen Lücken, die die Wärme aus dem Arktischen Ozean entweichen lassen.

Auswirkungen der Erwärmung: Extremwetter und freigesetzte Methangase

Es ist allgemein bekannt, dass die globale Erwärmung verstärkt zu Unwettern führen kann. Der Verlust von Meereis kann diesen Prozess in der Arktis weiter beschleunigen. Durchgehende Eisplatten begrenzen normalerweise die Abgabe der Feuchtigkeit des Ozeans in die Atmosphäre. Dadurch können sich starke Stürme schwerer entwickeln. Wenn Meereis schwindet oder aufbricht, ist die Sturmbildung also leichter und Wellen können größer werden.
Nicht zuletzt wird das Treibhausgas Methan freigesetzt, wenn das Meereis schmilzt: Die arktische Tundra und Meeressedimente enthalten große, gefrorene Methanvorkommen, die ein Klimarisiko darstellen, wenn durch Temperaturänderungen dieses Treibhausgas aufgetaut und freigesetzt wird.

Lebensraum schwindet

Eisbaer schaut in Kamera
© Alfred-Wegener-Institut/Mario Hoppmann

Die Veränderungen wirken sich auch auf die Lebewesen in der Arktis aus: Eisbären verlieren ihr natürliches Jagdgebiet und neu angesiedelte Arten konkurrieren mit alteingesessenen um Nahrung und Lebensraum. Eisalgen, die bisher einen Großteil der Nahrungsgrundlage für das arktische Ökosystem bilden, wird der Lebensraum in und unter dem Eis genommen – mit noch ungewissen Auswirkungen auf die Nahrungskette des Polarmeeres. Und nicht zuletzt ist auch der Mensch von den Veränderungen betroffen, wenn sich die Fanggebiete für Speisefisch verändern.

Fischereiverbot in der Arktis

Auf einer Fläche von 2,8 Millionen Quadratkilometern rund um den Nordpol soll die kommerzielle Fischerei jedoch für mindestens sechzehn Jahre verboten werden. Darauf einigte sich Ende 2017 die Europäische Union mit Dänemark, Norwegen, Island, Kanada, China, Japan, Südkorea, Russland und den USA. Nach Ratifizierung der zehn Parteien tritt das Abkommen dann in Kraft. Durch die Ausbreitung der Fischbestände im Nordpolarmeer und die abnehmende Eisfläche könnten in den kommenden Jahrzehnten jedoch durchaus wieder kommerzielle Begehrlichkeiten geweckt werden.

Wie Fischernetze die Meere belasten

Das Fischereiverbot beugt auch einem weiteren großen Problem vor: der Müllbelastung des Arktischen Ozeans. Denn alte Fischernetze und anderes Fischereizubehör wie Bojen oder Schnüre tragen dazu bei, dass Plastikmüll durch falsche Entsorgung ins Meer gelangt. Auch große Schiffe – zum Beispiel Kreuzfahrt- oder Containerschiffe – und Abfälle von Menschen wie Tüten, Flaschen, Eimer und andere Kunststoffe erhöhen den Müllgehalt im Arktischen Ozean. Sind die Abfälle erst einmal im Wasser, ist eine konkrete Zuordnung zu den Verursachern nur noch selten möglich. Zudem gilt der Arktische Ozean als Sackgasse: Was hier durch verschiedene Meeresströme hineingeschwemmt wird, kommt so schnell nicht wieder aus den Eismassen heraus.

Gefangen im Strudel: Müll im Arktischen Ozean

Dabei sind die arktischen Küsten gar nicht so dicht besiedelt, dass ihre Bewohnerinnen und Bewohner allein die Vermüllung auslösen könnten. Größtenteils gelangt der Plastikmüll durch große Meeresstrudel – die sogenannten Müllstrudel, die entlang des Äquators auftauchen – in den Arktischen Ozean. Von diesen Strudeln gibt es zurzeit insgesamt fünf. Sie entstehen dadurch, dass Strömungen aus dem Norden und dem Süden in den Meeren aufeinandertreffen und den Müll bündeln.

In den Strömungen treiben aber nicht nur große Plastikteile wie Tüten oder Flaschen, sondern viel kleinere Partikel – das sogenannte Mikroplastik. Es gelangt oft über Reinigungsmittel wie Shampoo oder Waschpulver und beim Waschen von Synthetikfasern ins Abwasser und damit in die Umwelt. Bis zu 12.000 Teilchen findet man in einem Liter arktischem Meereis. Besonders für Tiere ist die Plastikbelastung gefährlich, denn sie können die kleinen Teile verschlucken oder sich in größerem Plastikmüll verfangen.

Nachhaltiger Umgang gefragt

Doch nicht nur Abfall strapaziert das Ökosystem des Ozeans. Der Verlust der Eisfläche führt dazu, dass der Schiffsverkehr entlang der russischen und kanadischen Küste zunimmt und Tourismusgebiete erschlossen werden. Dadurch nimmt die Müllbelastung des Arktischen Ozeans zu und auch Tiere und Menschen werden zunehmend Abgasen und Lärm ausgesetzt. Herausforderungen, denen sich Einheimische, Reiseveranstalter, Touristinnen und Touristen sowie Vertreterinnen und Vertreter aus Wirtschaft und Politik gleichermaßen stellen müssen, um das sensible Ökosystem nachhaltig zu schützen.

Ist die Arktis im Jahr 2050 bereits eisfrei?

Wie schnell das Eis in der Arktis schmilzt, ist von vielen verschiedenen Faktoren wie den Temperaturen von Luft und Wasser sowie Meeresströmungen abhängig. Im Sommer geht es besonders weit zurück. Deshalb können sich Forscherinnen und Forscher vorstellen, bereits in den nächsten 30 bis 50 Jahren im Spätsommer eine eisfreie Arktis vorzufinden. Allerdings gehen sie davon aus, dass sich das Meereis im Winter zu einem großen Teil neu bilden wird. Um genauere Daten aus dem arktischen Winter zu sammeln, begeben sich Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus 17 Nationen im September auf eine einjährige Expedition in die Arktis. Das Projekt Multidisciplinary drifting Observatory for the Study of Arctic Climate (MOSAiC) soll die bereits vorhandene Datenbasis über das Zusammenspiel von Atmosphäre, Eis, Ökosystem und Ozean ergänzen und vertiefen.